Freie Linke Österreich

Statt eines Programms

Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.

Eine Theorie ist exakt dasselbe wie ein Werkzeugkasten. Es muss nützlich sein. Es muss funktionieren.

Glückliches Leben fragte nicht nach sich

Es mag so aussehen, als hätten wir als Gruppe Schwierigkeiten, ein Programm zu entwickeln, das uns helfen soll, unsere Handlungsweise zu bestimmen, uns nach aussen zu vertreten und nach innen zu versichern, dass wir uns einig sind.

Mit den Schwierigkeiten, die es uns bereitet, uns als Gruppe »auf einen Nenner zu bringen« und die, immer wenn wir entweder tatsächlich oder eingebildet über uns als über uns reden sollen, so präsent werden, gibt es allerdings ein Problem.

Wenn wir den Schwierigkeiten nachgehen, sind die Schwierigkeiten und das Nachdenken darüber schon selbst Produkt dieser Gruppe, die über sich selbst nachdenkt. Und vielleicht sind durch diese Art über sich selbst Nachzudenken schon Fallen errichtet, in die man dann auch selber fällt.

Das würde heißen, dass die Schwierigkeiten, die es uns bereitet, so ein Programm aufzustellen, uns zwar als Gruppe Auskunft gibt, dass aber gleichzeitig alle, die ein Programm aufstellen wollen auf diese Schwierigkeiten stoßen und genau wie wir damit umgehen müssen. Und vielleicht ist an diesem Umgang, wenn er auf die richtige Weise passiert schon selbst viel vom zukünftigen Programm.

Unter den Fragen, die uns die Suche nach einem Programm aufbürdet, ist die: »Wer sind wir?«. Und: »Wer sind wir nicht?«. In diesen Modus des Über-Sich-Nachdenkens sind Fragen des Ein- und Ausschlusses fest installiert. Sie werden sozusagen gratis mitgeliefert. Also Fragen, deren entgültige Beantwortung Entscheidungen verlangt, Konsequenzen und weitere Fragen zur Folge hat. Bei dieser Art von Selbstbefragung ist Vorsicht geboten, sie kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Ist beispielsweise mehr an eine Bestandsaufnahme gedacht, eine Selbstreflektion, eine Rück- oder Vorschau? Geht es dabei darum, ein Ideal von uns selbst inmitten von uns zu errichten, in das wir unsere Hoffnungen geben und dem wir dann die restliche Zeit versuchen zu folgen und zu entsprechen? Geschieht es im Modus des Sollens, sodass wir eine Stimme formen, die uns bei zukünftigen Fragen die Antworten und Kommandos eingibt? Müssen wir uns an den Zielen und Träumen der anderen bedienen und uns das heraussuchen, was uns am passendsten erscheint? Finden wir dann im schlimmsten Fall, wenn garnichts passt, heraus, dass wir garnichts sind?

Das wäre zumindest seltsam, wenn bei der Frage nach sich herauskommt, dass die Gruppe überflüssig ist, weil es nichts zu antworten gibt. Das ist gleichzeitig auch die tragischte Version dieser Antwort auf die Frage.

Auf einem anderen Blatt würde nämlich stehen, dass bei diesem Resultat nicht die Gruppe das Überflüssige in der Gleichung darstellt, sondern die Frage.

 

Das andere Blatt

Ich bin ein grösserer Gegner der Fragen, ich will andere Fragen. Während die Art der Fragen, die man sich anscheinend stellen soll, wenn man ein Programm haben will, sowieso unterwegs sind, nämlich als Fragen die andere über uns anstellen, die diese anderen sich aber auch herausnehmen selbst zu beantworten, will ich eine zweite Art von Fragen. Fragen, die die abstrakte Fragerei nach Identifizierung und Indentifizierbarkeit, nach Sinn und Existenzberechtigung, nach dem eigenen Platz und der eigenen Rolle im Ganzen, ignorieren oder von selbst nebenbei beantworten, wenn man sie sich ehrlich und aufrichtig stellt. Diese Fragen sind garnicht so abgehoben und selbstbezüglich, so drübersteherisch und passiv aktiv auf sich selbst gerichtet, sondern fragen konkret nach Wegen und Mitteln, Möglichkeiten, Chancen, Lücken, Strategien, Tricks, Anwendungen für die eigene Sache. Das Nachdenken über die Gruppe als Gruppe umzumünzen zu einem Selbstbewusstsein der Gruppe, das darauf gerichtet ist sich empfänglich zu machen für praktische Anwendungen, sich zu kanaliseren zu gemeinsamen Tun und bereit zu sein die Möglichkeiten, Chancen, Lücken zu erkennen und willens dazu zu sein sie auch zu nutzen. Das ist ein vollständig anderer Modus, einer, der nicht im tautologischen Kreis seiner eignen Selbstbefragung verrückt wird, sondern der seine Augen von seinen vielen Spiegel- und Zerrbildern abwendet um im Aussenrum seiner Wahrnehmung die Objekte seines Handelns erblickt. Alle Fragen werden damit entweder praktisch und zu Fragen der konkreten Umsetzung, Planung und Strategie oder erledigen sich im Laufe dieses Prozesses von Selbst. Alle wichtigen Fragen bedürfen ihrer Erfindung oder Einfalls nicht, sie kommen in diesem Modus von alleine zu uns oder sind schon in der Welt und müssen nur aufgegriffen werden. Die Beantwortung benötigt viel mehr den Erfindungs- und Einfallsreichtum in der Weise, was ihre beste Umsetzung ist und an dem allein bemisst sich so eine Gruppe.

 

We’re running in circles

In der Frage nach sich selbst passiert automatisch etwas merkwürdiges: man tritt sich aus sich heraus, verlässt sich, und betrachtet sich als sein eigenes geisterhaftes Doppel. Im Traum, in der Paralyse und im Augenblick des Todes passieren ähnliche Vorgänge. Auf diese Weise schliesst sich ein Kreis der Identifikation, der einen einsperrt und handlungsunfähig, auf sich selbst bezüglich zurücklässt. Man ist, was man ist. Die Frage »Was tun?« hat vollständig anderen Charakter: sie fragt nach einem sollen, sie will etwas gänzlich anderes als die Antwort, die man schon kennt. Und sie löst die Frage nach der Frage ab nach der Frage einer Handlungsweise, die sich daraus ergibt was man fragt. Diese Frage ergibt sich aus der Lage, der Beschaffenheit, deren Analyse und Kritik der Gegenstände und Geschehnisse. Die Summe dieser Handlungen ergibt dann von alleine »das, was man ist«: ist also Beantwortung und Resultat aller Fragen und auch eine Art des Zeugnisses.